Hochwertige technische Produkte regional herstellen – ist das möglich?

technische Produkte lokal herstellen

„Made in Germany“ steht seit Langem für Präzision, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit. Insbesondere aus Kostengründen entschieden sich jedoch in den letzten Jahrzehnten immer mehr Unternehmen dazu, ihre Fertigung ins Ausland, vor allem nach Asien auszulagern. Ist eine regionale Produktion von hochwertigen technischen Produkten heutzutage überhaupt noch sinnvoll und wirtschaftlich?

Regionale Produktion als Gegenentwurf zur Globalisierung

Befeuert durch den Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit und Transparenz ist tatsächlich ein Trend zur Rückverlagerung der Produktion zu bemerken. Regional hergestellte Produkte verkürzen Transportwege, senken den CO2-Ausstoß und erleichtern in der Regel die Kommunikation zwischen Entwicklung, Fertigung und Kunden. Außerdem lassen sich Änderungen an Prototypen oder Kleinserien oft schneller umsetzen. Hinzu kommt der wachsende Wunsch von Endkunden und Geschäftspartnern nach nachvollziehbarer Herkunft, ethisch einwandfreier Produktion und lokaler Wertschöpfung. Die COVID-19-Pandemie, geopolitische Spannungen und gestörte Lieferketten haben darüber hinaus zuletzt immer wieder gezeigt, wie anfällig globale Abhängigkeiten sind. Unternehmen, die regional produzieren, gewinnen dagegen Flexibilität und Planungssicherheit.

Deutschland als wichtiger Chip-Standort?

Die deutsche Bundesregierung verfolgt die Hightech-Agenda, Deutschland als führenden Chip-Produktionsstandort in Europa zu etablieren. Dafür sollen mindestens drei neue Werke entstehen, um die Fertigung von Chips, Ausrüstung und Vorprodukten voranzutreiben. In Dresden wird derzeit eine neue Chipfabrik vom deutschen Halbleiterhersteller Infineon gebaut. Auch der amerikanische Chip-Hersteller Global Foundries sowie Chip-Giganten TSMC aus Taiwan investieren in „Silicon Saxony“ und sorgen dafür, dass Sachsen als Produktionsstätte für Chips immer relevanter wird. Bereits jetzt kommt rund ein Drittel aller Chips in Europa aus Dresden. Allerdings gibt es auch Rückschläge für die Pläne der Bundesregierung. Der US-Konzern Intel hat 2025 endgültig den Bau seiner geplanten Chipfabrik in Magdeburg aufgegeben, was einen bedeutenden Nachteil für die deutsche Chipindustrie darstellt. Auch der Bau einer Chipfabrik des US-Unternehmens Wolfspeed in Ensdorf wurde verschoben.

Präzision aus Deutschland: Hochwertige Leiterplatten

Deutschland verfügt über eine dichte Landschaft mittelständischer Hersteller, die Leiterplatten bestücken, Sensoren entwickeln oder mechatronische Systeme montieren. Hier zeigt sich, dass hochwertige Technik nicht zwangsläufig aus Fernost stammen muss. Beispielhaft kann das Unternehmen Beta LAYOUT mit Sitz in Aarbergen-Kettenbach genannt werden. Es fertigt unter anderem Leiterplatten und Baugruppen in kleinen Stückzahlen für Forschung, Industrie und Start-ups. Dank digitaler Auftragsabwicklung, automatisierter Prozesse und zertifizierter Qualitätssicherung lassen sich regional komplexe Multilayer-Boards, flexible Schaltungen oder Leiterplatten herstellen und das meist mit Lieferzeiten von unter 48 Stunden.

Weitere Beispiele für regional gefertigte technische Produkte

In Deutschland werden noch viele weitere hochwertige technische und elektronische Geräte regional produziert, darunter vor allem Haushaltsgeräte und spezialisierte technische Geräte. Fast alle größeren Unternehmen, die Produkte in Deutschland herstellen, betreiben jedoch weitere Produktionsstätten im europäischen Ausland oder Asien. Die bekannte Marke Siemens stellt aber zum Beispiel eine breite Palette an Haushaltsgeräten wie Backöfen, Geschirrspüler, Kühlschränke, Waschmaschinen und Staubsauger an gleich mehreren Standorten in Deutschland her. Bosch produziert zwar mittlerweile viel im Ausland, zum Beispiel Autoteile werden aber meist noch in Deutschland gefertigt. Typische Consumer-Goods werden vom Unternehmen hingegen in Deutschland entwickelt, aber in Asien produziert. Auch Sennheiser, einer der führenden Hersteller von Kopfhörern, Mikrofonen und drahtloser Übertragungstechnik, hat seine Produktion zumindest teilweise in Deutschland, insbesondere hochwertige Produkte für den professionellen und High-End-Mark sind noch „made in Germany“ und werden in der Wedemark bei Hannover hergestellt. Darüber hinaus produzieren viele weitere Unternehmen in Deutschland, die zwar weniger bekannt, aber nicht weniger relevant sind. Beispielsweise werden vom Esslinger Unternehmen Festo Automatisierungs- und Steuerungslösungen teilweise in Deutschland gefertigt, die Kernbestandteile in modernen Fertigungsanlagen sind. Die Firma Dräger produziert Beatmungsgeräte, Anästhesie- und Atemschutz-Technik sowie sicherheitsrelevante Geräte für Kliniken und Industrie und betreibt Produktionsstätten an seinem Hauptsitz in Lübeck.

Wie steht die Politik die Abwanderung deutscher Unternehmen ins Ausland aufhalten kann

Es ist ein frommer Wunsch, so viel wie möglich regional zu produzieren und den oben genannten Vorteilen wie Lieferkettenengpassvermeidung und klimagerechter Produktion gerecht zu werden. Doch den Produzenten wird es schwer gemacht, im Hochlohnland Deutschland weiterhin produzieren zu können. Viel zu viel und teilweise auch sich wiedersprechende Bürokratie sowie immer weiter steigende Lohn- und Energiekosten stellen viele Unternehmen vor große Herausforderungen. So ist es eine Tatsache, dass sich viele Firmen breit aufstellen und die Produktion auch im Ausland aufnehmen oder gar ganz dorthin verlegen. Es ist an der Politik, aktiv zu werden und die Probleme nicht nur anzusprechen sondern zu handeln. So sind Ideen wie ein schnellerer Ausbau des Stromnetzes, Entbürokratisierung, zügige Digitalisierung, aber auch eine stärkere Förderung von Forschung und Entwicklung und Maßnahmen zum Halten der Facharbeitskräfte schnellstmöglich anzugehen und umzusetzen.

Denn trotz aller Vorteile bleibt regionale Produktion anspruchsvoll. Hohe Lohn- und Energiekosten machen die Herstellung in Deutschland teurer als in vielen anderen Ländern. Während bei hochkomplexen Geräten die Qualitätsvorteile überwiegen, sind einfache Konsumgüter oder Massenprodukte oft kaum kostendeckend zu fertigen. Letztlich müssen auch die Kunden bereit sein, höhere Preise für regional gefertigte Qualität zu zahlen, statt ausschließlich nach dem günstigsten Angebot zu entscheiden. Zusammen mit politisch umgesetztem Willen können dann regionale Fertigungsstrukturen langfristig aufrechterhalten und ausgebaut werden.

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